Lehrer hören das Platt nicht gerne
Von Anita Trostel
Dieser Satz in einem Zeitungsartikel [1] wird manchem Leser durch und durch gegangen sein. Setzen sich doch Viele schon seit etlichen Jahren dafür ein, dass unsere Dialekte erhalten bleiben und Wörter nicht aussterben.
In seinen Gedanken zum Sonntag fragt Peter Hahne: „Macht mich Hochdeutsch zum Weltmann und Dialekt zum Provinzler?“ Er kommt zu dem Schluss, dass der Dialekt mehr ist als der kleine Bruder des Hochdeutschen. Nach seiner Auffassung ist er ein lieber Verwandter, bei dem man sich wohlfühlt, der Geborgenheit und Heimat vermittelt. Sprachfärbung gibt Identität, ist ein Stück Persönlichkeit und Gegensteuern zur Globalisierung.[2]
Das Anliegen derer, die sich für die Erhaltung der Dialekte stark machen, läuft nicht darauf hinaus, dass auch in der Berufswelt und im öffentlichen Leben so geredet werden soll „wie der Schnabel gewachsen ist“, hier ist zur allgemeinen Verständlichkeit ganz sicher die sogenannte Standartsprache angebracht, die in der Schule vermittelt wird.
Doch wenn kolportiert wird, dass Schulabgänger mit einem Dialekt später mit beruflichen Nachteilen zu rechnen haben und sich Zukunftschancen verbauen, dann liegen die Vertreter dieser Auffassung falsch. Dadurch vermitteln sie vielen Menschen oft Angst, in die falsche Schublade gesteckt zu werden.[3]
Wenn davon gesprochen wird, dass ein Dialekt im gewerblich-technischen Bereich nicht so schlimm ist, aber z.B. im Bankenwesen, bei Beratertätigkeiten oder in Arztpraxen die Mundart gar nicht geht, dann klingt im Hintergrund die Zwei-Klassen-Gesellschaft an, man nimmt die Dialektsprecher als Hinterwäldler wahr und ordnet die Mundart indirekt den weniger Gebildeten zu.
Sprachforscher weisen darauf hin, dass es Kindern, die sowohl Dialekt als auch Hochdeutsch sprechen können, leichter fällt, Fremdsprachen zu erlernen.[4] Professor Wolfgang Schulze, Sprachwissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München rät Eltern „mit den Kindern Dialekt zu sprechen, wenn das die eigene Alltagssprache ist“, damit eröffne man ihnen die Chance mehrsprachig aufzuwachsen. Denn mehrsprachig ist nicht nur, wer mit Englisch und Deutsch groß wird. Mehrsprachig ist auch, wer als Erstsprache einen Dialekt lernt und durch Vorlesen, durch Freunde und durch Medien als Zweitsprache das Deutsch, wie es im Duden steht.[5] Schon heute haben gerade jüngere Leute große Defizite was den Wortschatz angeht. Der Nachwuchs ist sprachlich nicht auf der Höhe der Zeit, beschränkt sich auf Modewörter und erlernt nicht mehr die Fülle der deutschen Sprache.[6]
Das Bildungsministerium weist zwar darauf hin, dass Kinder in Rheinland-Pfalz sich keine Mühe geben müssen in der Schule Hochdeutsch zu sprechen und Bildungsexperten forderten sogar eine stärkere schulische Förderung von Dialekten. Jedoch viele rheinland-pfälzische Lehrer sehen das wohl anders und führen aus, dass ein Fach „Dialekt“ schulisch kaum zu leisten sei.[7] Anders wird dieses allerdings z.B. in den nördlichen Bundesländern oder in Bayern gesehen. In Niedersachsen können die Kinder sogar wählen in welchen Fächern sie in Mundart unterrichtet werden möchten und in Bayern werden im Unterricht Comics in heimatlicher Mundart erstellt.
Das Argument zieht nicht ganz, dass die Grundschüler, die ja mit lautgetreuem Schreiben anfangen, als Dialektsprecher Probleme haben und dass dann z.B. aus einem „Eichhörnchen“ ein „Eischhörnschen“ wird.[8] Das ist nicht dem Dialekt geschuldet sondern der regionaltypischen Wortmelodie, hier also der Klangfärbung des Rheinlandes. Diese Klangfärbungen werden auch trotz Rückgangs der Dialekte erhalten bleiben, weil ein richtiges Hochdeutsch kaum jemand spricht, es sei denn, er hat eine Ausspracheschulung gemacht. Außerdem wird in der Standartsprache auch nicht alles so geschrieben, wie es gesprochen wird.
Hinweis: Ein Dialekt sprechendes Kind aus unserem hiesigen Sprachbereich würde ein Eichhörnchen zusätzlich als „Kauertsche“ bezeichnen.
Weshalb wehren sich manche so beharrlich gegen den Dialekt und beachten nicht die Argumente der Sprachwissenschaftler? Genauso wichtig wie heute wegen der Globalisierung das Erlernen der englischen, französischen oder einer anderen Sprache ist, so wichtig ist die Mundart für das Emotionale, denn das lässt sich in ihr viel besser ausdrücken.
In einem Artikel in der Rhein-Zeitung wurde bereits vor Jahren der Wunsch geäußert, dass alle der feste Vorsatz verbinden möge, sich die eigene regionale Identität nicht von Duden und Wörterbüchern plattreden zu lassen. Denn mit dem landestypischen Zungenschlag wird dokumentiert, dass die Wurzeln zu den Ahnen noch nicht gekappt sind.[9]
Übrigens, die Autorin dieses Beitrags ist mit dem „Biewere (Niederbieberer) Platt“ als Erstsprache aufgewachsen und hat erst in der Schule bzw. durch ihre Vorliebe zu Büchern die Standartsprache in Wort und Schrift ohne Probleme erlernt.
In diesem Sinne: Nix fier Ungood, helft med, dat dat Platt ned valoore gähd.
[1] Rhein-Zeitung vom 18.1. 2014 –Moselfränkisch ist an der Schule erlaubt
[2] Bild am Sonntag 11.4. 2010
[3] Rhein-Zeitung 29.3. 2005
[4] Rhein-Zeitung 18.1. 2014 – s.o.
[5] Lokalanzeiger v. 22.2. 2006 – Dialekt macht sprachgewandter
[6] Rhein-Zeitung Nov. 2005 – Wandelbare deutsche Sprache
[7] Rhein-Zeitung 18.1. 2014 – Moselfränkisch an der Schule erlaubt.
[8] a.a.O
[9] Rhein-Zeitung vom 1.4. 2005 – Wo die Mundart die Leute verbindet.