Römerbad

Römerbad

von Hermann Puderbach

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erwachte in Deutschland das Interesse für die Vor- und Frühgeschichte. Oft ausgelöst durch zufällige Funde begann man zu graben, auch in der Hoffnung verschollene Schätze oder versteckte Reichtümer zu finden. In unserer engeren Heimat konzentrierten sich die Grabungen vornehmlich auf die sog. „Alteburg“ in Niederbieber. Es war ein Ruinengelände nördlich des alten Ortskerns, auf einer Ebene in Höhe der ersten Rheinterrasse. Man vermutete von ihr, daß sie römischen Ursprungs war. Im Jahre 1791 wurde sie erstmals im Auftrag der Fürstlich-Wiedischen Verwaltung untersucht. Von einer wissenschaftlich betriebenen Forschung kann jedoch noch keine Rede gewesen sein. Etliche Fundstücke dieser Grabung sind bekannt, z.T noch im Besitz des Fürsten zu Wied.

Die erste wissenschaftlich verwertbare Dokumentation entstand 100 Jahre später, unter Leitung der Reichslimeskommission ab dem Jahre 1897. Man erforschte in etwa das Gebiet, das heute durch die Burgstraße, die Straße „Am Limes“, Meisbacherstraße und der Verlängerung der Straße „Am Bornberg“ begrenzt wird, eine Fläche von 265 x 200 m, also 5,3 ha. Im hinteren Teil legte man die Fundamente eines Badehauses frei, sie sind jedenfalls schon vollständig im Grundriss des Kastells eingetragen und fallen durch ihre unüblich geschwungene Form auf. Was damals dort an Mauerresten gefunden wurde, hat man nach Grabungsende wieder vollständig mit Boden zugedeckt und schlummerte weiterhin als Bodendenkmal in heimischer Erde.

Konnte man damals noch in völlig unbebautem Gebiet graben, so ist heute das ganze Kastell-Areal bis auf wenige Ausnahmen bebaut. Dies geschah vorwiegend in den letzten 40 Jahren, denn bei Kriegsende war lediglich eine lückenhafte Bebauung an der Burgstraße vorhanden. Wohl mehr durch Zufall blieb das Grundstück frei, unter dem das Römerbad verborgen war. Dabei soll zum Zeitpunkt der Grabungen außer der inzwischen wiederhergestellten Saalburg bei Bad Homburg auch unser Kastell zur Rekonstruktion zur Wahl gestanden haben. Es fehlte wohl damals an einer durchsetzungsfähigen Lobby.

Es ist deshalb nur lobenswert, daß es zu guter letzt noch gelungen ist, soweit wie möglich die Zeugen der Vergangenheit, nämlich das Nordtor des Kastells und das Römerbad in ihren Grundrissen an den ursprünglichen Standorten zu rekonstruieren. Allen Beteiligten sei deshalb gedankt. An erster Stelle der Stadt Neuwied, deren Engagement zur Nachahmung empfohlen wird, dem Landesamt für Denkmalpflege in Mainz, das von Berufs wegen tätig wurde und dem Verein Niederbieberer Bürger, der mit Begeisterung und Interesse das Werk begleitete. Damit kann in der Dokumentation der Rhein-Zeitung aus dem Jahre 1982 über den Limes die Bemerkung „beim Kastell Niederbieber keine obertägig sichtbaren Spuren“ getilgt werden.

Kastell

Wie kam es nun in der Zeit vor rd. 2.000 Jahren zu der Anlage eines solchen Bades? Hier zitiert die Geschichte aus damaliger Zeit, daß der Römer da, wo er siegt, auch lebt, wo er lebt, auch badet. Das „Warum“ hat Galenus, ein römischer Arzt, der um das Jahr 150 n. Chr. lebte, in seinen Schriften überliefert. Er hat für das tägliche Baden ein 4-Punkte-Programm aufgestellt. Danach soll man sich in einem Warmluftraum zunächst umtemperieren, dann einem warmen Bad ein kaltes folgen lassen und schließlich den Schweiß abreiben. Nach des Galenus Vorstellung werden durch diese Anwendung zunächst die Stoffe im Körper erwärmt und gelöst, die Haut soll sich lockern und entleeren. Das heiße Bad soll dann den Organismus mit heilsamer Feuchtigkeit durchtränken, das kalte Bad ihn aktivieren und die Poren der Haut schließen, so daß der Schweißabfluß während des Badens keine übermäßige Abkühlung zur Folge hat. Danach empfiehlt Galenus auch eine ausgiebige Salbung am Schluß, um den Leib gegen die Witterung zu panzern. Einem echten Kneippianer kommen diese Ausführungen sicher nicht unbekannt vor und die Anhänger der Sauna düften sich in ihrem Tun bestätigt fühlen.

Um nun das galenische Programm einhalten zu können, bedurfte es in den Bädern einer Mindestausstattung mit drei Räumen: Des Tepidariums, eines mäßig erhitzten Lokales zum Auf- und Abwärmen, des Caldariums, eines Raumes zum Schwitzen und Heißbaden, sowie des Frigidariums, eines Kühlraumes mit Kaltwasserbad. Öffentliche Bäder – in Rom soll es zur Blütezeit allein 1.000 Bäder gegeben haben -hatten meistens noch eine Reihe von Nebenräumen. Das Apodyterium, einen Umkleideraum sowie eine Massage- und Salbabteilung und ein Sudatio, wo in feucht-warmer Luft geschwitzt wurde.

Für den Betrieb eines Bades genügten jedoch die Räumlichkeiten alleine nicht. Es bedurfte einer für die damalige Zeit hochentwickelten Technik. Zunächst mußte das benötigte Badewasser zugeführt werden. Eine Zuleitung ist, soweit ich weiß, nicht gefunden worden, muß jedoch vorhanden gewesen sein, denn üblicherweise wurde das Badewasser ständig erneuert. Ein Abflußkanal dagegen ist nachgewiesen, der zugleich die Fäkalien der Latrine zur Wied hin entsorgte. Die Beheizung der Räume und die Erwärmung des Wasser erfolgte über eine Hypokaustenanlage, eine außerordentlich geschickte Methode der Wand- und Fußbodenbeheizung. Der Name ihres Erfinders ist sogar noch bekannt. Der Sage nach war es der Fischzüchter Sergius Orata, dem dies schon vor der Zeitenwende gelang. Er hatte festgestellt, daß seine Fischbrut in warmem Wasser besser gedieh und er baute sich deshalb ein Wasserbecken, dessen Boden er beheizen konnte.Von da an war es nicht mehr weit bis zur beheizbaren antiken Badewanne. Unter Hypokausten – „von unten geheizt“ heißt es übersetzt – verstehen wir heute einen niedrigen, ca. 70 cm hohen Kellerraum, dessen Decke auf quadratischen Säulen aus Ziegeln im regelmäßigen Abstand von 1 x 1 m im Quadrat angeordnet ruht. Die freien Flächen wurden mit Steinplatten abgedeckt, die bis zu einer Dicke von etwa 30 cm mit Splittbeton aufgefüllt sind und mit einem Ziegelmehlestrich mit Traßzusatz abgedeckt wurden. In den Badebecken ist der Estrich auch an den Wänden hochgezogen und bildete so die wasserdichte Wanne für das jeweilige Bad. Vor dem Kellerraum wurde in einer Feuerung, einer kleineren abgedeckten Nische geheizt. Die Heizgase zogen unter der Decke entlang zu den rechteckigen Zügen in den Wänden, die über Dach geführt waren und dort gewöhnlich in Dachziegeln endeten, die dafür mit einer Art Schornsteinaufsatz versehen waren. Auf dem Weg zum Dach gaben die Heizgase ihre Wärme ab und die so aufgeheizten Böden und Wände speicherten die Wärme und wirkten als Heizkörper. Geheizt wurde gewöhnlich mit Holzkohle. Diese Technik hat sich von primitiven Anfängen an zu der Perfektion entwickelt, wie wir sie in diesem verhältnismäßig jungen, um das Jahr 180 n. Chr. gebauten Kastell vermuten können. Die römischen Legionen haben die von ihnen benötigten Materialien bekanntlich selbst hergestellt. Dazu gehörten u.a. die Ziegel für die Hypokausten, großformatige Ziegel zur Abdeckung der Heizgänge und die rechteckigen, etwa 25 cm hohen Kacheln der Züge in den Wänden, ähnlich den heute verwendeten Kamineinsätzen. Auch die Fußbodenheizung ist wieder modern geworden.

Regelmäßiges Baden war im römischen Heer Teil des militärischen Dienstes. Deshalb sind bei allen Kastellen Badehäuser gefunden worden, so u a. bei der Saalburg, wo es vor dem Kastell liegt, in Stockstadt am Main und in Würzberg im Odenwald, wo auch das Bad rekonstruiert worden ist. Waren sie doch, wie man in all den Jahren, in denen das römische Imperium bestanden hatte, der Hygiene, der Vermeidung von Krankheit und vor allem der Erhaltung der Gesundheit dienlich. Trotz allem Luxus waren Krankheiten wie Rheuma infolge der sonst doch harten Lebensumstände weit verbreitet. Nicht von der Hand zu weisen ist, daß das Bad auch der Truppenbetreuung, der Hebung der guten Laune in nicht unerheblichem Maße gedient hat. Waren die Bäder in den älteren Kastellen noch klein und spartanisch, wie z.B. in Würzberg mit einer Abmessung von 16 x 7 m und einem seitlich angebautem Sudatio von 5 x 5 m Grundfläche, so hat unser Bad mit rd. 67 x 21 m eine erstaunliche Größe. Der stark gegliederte Grundriß wie er jetzt sichtbar ist, läßt mit seiner symetrischen Anordnung die ursprüngliche Größe des Badekomplexes nur ahnen. Dabei konnte die Fläche des vermutlichen Umkleideraumes nicht freigelegt werden, da sie von der Straße „Auf der alten Burg“ überbaut ist. Alle aufgezählten Räume sind mit Leichtigkeit in dem Grundriss unterzubringen, wenn auch die exakte Verteilung nicht in allen Fällen nachzuweisen ist. Jedenfalls hatte der römische Legionär, der aus südlichen Gefilden stammend ins neblige Germanien verschlagen wurde, in dem Badehaus die Möglichkeit, nach anstrengenden Streifengängen und Postenstehen entlang des Limes sein Wohlbefinden wiederherzustellen, seine Erkältungen auszuschwitzen und sich mit seinen Mitstreitern beim Gespräch zu entspannen. Es ist auch möglich, daß dem Bad eine Kantine angeschlossen war. Dies war oft der Fall, so daß der Landser der damaligen Zeit sich neben der Mahlzeit auch an einem Becher Wein oder Import-Met aus dem freien Germanien laben konnte.

Im Jahre 260 war es, wie überliefert wird, auf der rechten Rheinseite mit der Baderei vorbei. Die vordringenden Franken löschten die Feuer in den Hypokausten, zündeten dafür die Dächer an, drehten das Badewasser ab und verwandelten Kastell samt Badehaus in einen Trümmerhaufen, wie das unliebsame Eroberer noch bis zum heutigen Tage tun. Vielleicht hat auch die Zeit das Meiste vollbracht. Was später noch vorgefunden wurde an brauchbarem Baustoff, wurde abgebrochen bis auf die Fundamente, und davon blieben nur Reste übrig. Römische Ziegel finden sich in der nahen Kirche, einen Teil der Bruchsteine an der Burg Altwied und zwei Säulen stützen den Kapitelsaal des Klosters Rommersdorf ab, wie man bei einer fachkundigen Führung erläutert bekommt. Die Fundamente, die am Bad vorgefunden wurden, waren z.T. nur noch die Ausfüllung von zwei Mauerscheiben, deren Zwischenraum man mit römischen Beton ausgefüllt hatte, teilweise waren es Bruchsteinfundamente, an denen noch der Verputz haftete. Man hat die Reste mit viel Liebe, Arbeit und Mühe wieder ans Tageslicht gebracht, indem man – so führt es der Zuwendungsbescheid des Landesamtes für Denkmalschutz aus – die Mauerkrone in Handarbeit freilegt, das vorhandene Mauerwerk durch Verfugen sichert, einige Lagen Mauerwerk aus Grauwacke im römischen Format aufmauert, um so die Zerstörung des antiken Mauerwerks durch Witterungseinflüsse auszuschließen. So soll das Gelände als öffentliches Grün ausgewiesen werden und durch eine entsprechende Ausgestaltung die verschiedenen Funktionen des Bades optisch verdeutlichen. Zu bemerken bleibt mir noch, daß Sinn und Zweck des Badens, von Galenus überliefert, in unseren Breiten über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten ist. Auch daran sollte der Besucher erinnert werden, wenn er die Anlage heute durchwandert und sich von ihrer Große beeindrucken läßt.

Literatur

1.) Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, von Rudolf Portner Econ-Verlag

2.) Die Geschichte Roms, von Michael Grant, Gustav Lübbe Verlag; Lizenzausgabe für Bertelsmann Buchklub.

3.) Brockhaus Enzyklopädie.

4.) 150 Jahre Amt Niederbieber-Segendorf von August Welker und Karl-Heinz Schmelzer, herausgegeben von der Amtsverwaltung Niederbieber-Segendorf.

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