Chronik
Der Stadtteil Niederbieber
Aus dem bäuerlichen Ort Niederbieber wurde im Laufe der Jahrzehnte eine große ansehnliche Ansiedlung mit einer guten Infrastruktur. Der Stadtteil liegt am Nordrand des Neuwieder Beckens am Zusammenfluss von Aubach und Wied. Vieles an alter Bausubstanz wurde abgerissen oder erneuert, viel neues Bauland wurde ausgewiesen. Es bestehen aber auch noch vereinzelt die typischen Fachwerkhäuser, wie sie in dieser Art im Rheinland und Westerwald vorzufinden sind. Sie wurden liebevoll restauriert und tragen somit zur Verschönerung des Ortsbildes bei.
Besiedlung und erste urkundliche Erwähnung
Der Ort war schon früh der Hauptort eines Kirchspiels, er wurde urkundlich erstmals 1204 erwähnt, doch ist er sicher Jahrhunderte älter. Darauf deuten zahlreiche fränkische Gräber und andere Funde hin. Es war ein von Römern und Germanen (Franken) besiedelter Platz am römischen Grenzwall Limes und Standort eines großen Römerkastells, das etwa 190 n. Chr. erbaut und 259 n. Chr. von den Franken zerstört wurde.
Im Gegensatz zu anderen Kastellen hat vermutlich bei dem Niederbieberer Kastell eine ausgedehnte Zivilniederlassung bestanden, die aber nicht als Ursprung des Ortes betrachtet werden darf.
Gebietszugehörigkeit und Verwaltung
Seit dem 12. und 13. Jahrhundert stand Niederbieber zur Hauptsache unter grundherrlicher Hoheit der wiedischen Grafen. Nach Napoleons Einmarsch in Deutschland lehnte es der Fürst zu Wied aus Treue zum Reich ab, dem unter Napoleons Führung stehenden Rheinbund 16 süd- und westdeutscher Fürsten, die sich vom Reich losgesagt hatten, beizutreten. Deshalb verlor er 1806 sein Land. Die untere (niedere) „gefürstete Grafschaft Wied“, wozu auch Niederbieber gehörte, wurde zusammen mit anderen Gebieten dem zum Herzogtum erhobenen Nassau zugeschlagen und unterstand nunmehr als herzoglich-nassauische Behörde der nassauischen Regierung in Ehrenbreitstein. Nach dem Sturz Napoleons kamen die wiedischen Lande im Zusammenhang mit der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress des Jahres 1815 an das Königreich Preußen, gehörten zu der später so benannten Rheinprovinz und unterstanden dem Regierungsbezirk Koblenz. Niederbieber gehörte zum Amt Heddesdorf, das am 15. April 1817 unter der Bezeichnung „Bürgermeisterei Heddesdorf“ entstand. Das blieb auch so, als Heddesdorf durch Eingemeindung 1904 Stadtteil von Neuwied wurde.
Im Jahre 1910 wurden Niederbieber und Segendorf zu einer politischen Gemeinde mit dem Doppelnamen Niederbieber-Segendorf zusammengefasst. Die jahrhundertelange Grenze an der Wied war damit aufgehoben. Doch das Schulwesen blieb noch getrennt, bis im Jahre 1963 die große Mittelpunktschule an der Wied bezogen wurde.
Das Amt Heddesdorf, das im Jahre 1957 zur Verbandsgemeinde Niederbieber-Segendorf umgewandelt wurde, wurde 1970 aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt ist Niederbieber ein Stadtteil von Neuwied.
Das Ortswappen von Niederbieber
Das Wappen wird wie folgt beschrieben: In golden über silbern geteiltem Schild oben eine mit offenem Tor versehene rote Zinnenmauer mit 2 Zinnentürmen, mit je 2 geschlossenen Fenstern; in der Mauer rechts und links oberhalb des Tores je ein geschlossenes Fenster. In Silber über blauen Wellen auf goldenem Boden ein hockender, blau bewehrter und geschwänzter roter Biber.
Die Zinnenburg erinnert an das römische Kastell. Gleichzeitig weist die Burg auch auf das in der Gemeinde Segendorf gelegene Schloss Monrepos hin. Der Biber deutet auf den Ortsnamen und die blauen Wellen erinnern an die Wied.
Rund um Römerbad und Erdzeitenuhr
Bei Ausgrabungen vor mehr als 200 Jahren legte man im hinteren Teil des Kastells die Fundamente eines Badehauses frei. Der Grundriss lieferte eine gute Darstellung vom Komfort eines römischen Lagerbades. Der Verein Niederbieberer Bürger hat in Zusammenarbeit mit der Stadt Neuwied und dem Landesamt für Denkmalpflege in Mainz das Nordtor des Kastells und das Römerbad in ihren Grundrissen rekonstruiert. Eine Nachbildung des Badehauses steht in einer Glasvitrine am Römerbad zur Besichtigung. Die Rekonstruktionen sind heute Stationen auf der Deutschen Limes-Straße, dem Limes-Wanderweg und dem Limesradweg.
In der Nähe des Schulzentrums in Niederbieber schlägt die Uhr der Erde. Die Erdzeitenuhr von Niederbieber rechnet nicht, was die Stunde geschlagen hat, sie rechnet nur in Millionen Jahren. 24-Stunden-Steine erzählen die Erdgeschichte von der Urzeit vor 4,5 Milliarden Jahren bis heute.
Wer möchte, kann mit der Gästeführerin Edda Perske vom Verein Niederbieberer Bürger auf Zeitreise gehen. Sie organisiert Führungen zur Erdzeitenuhr und zum Römerbad. Von hier führt ein sehr schöner Rundwanderweg von Niederbieber nach Altwied und zurück, den der Verein mit dem Niederbieberer Wappen markiert hat.
Die Rasselsteiner Kolonie
Großen Einfluss auf den Ort und seine Entwicklung hatte die Firma Rasselstein, deren Neuwieder Produktionsstätten sich auch auf die Gemarkung Niederbieber erstrecken. Um die Arbeiter an den Produktionsort zu binden und ihnen preisgünstigen Wohnraum anzubieten, wurde in den 20er Jahren eine Werkssiedlung errichtet. Sie liegt direkt hinter dem Werksgelände. Siedlungseinheiten wie diese, in einem fast originalen Zustand, sind selten und nur noch an wenigen Stellen in der Bundesrepublik zu finden. Die Kolonie wurde unter Denkmalschutz gestellt.
Kirchen, Schulen und Kindergärten
Zwei Kirchtürme prägen das Ortsbild von Niederbieber. Die ehemals katholische, nach der Reformation dann evangelische Kirche, hat einen spätromanischen Turm aus dem 13. Jahrhundert. Um 1500 wurde das dreischiffige Langhaus errichtet, das später mehrmals erweitert und umgebaut wurde. Der Altarraum diente bis 1580 den Grafen von Wied als Grablege. In der Kirche beerdigt ist auch der Reformator Hermann von Wied, Kurfürst und Erzbischof von Köln und Paderborn.
Die katholische Kirche ist ein moderner Bau aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie wurde als Ersatz für die im spätgotischen Stil erbaute St. Bonifatius- Kapelle an der Melsbacher Straße, die später abgerissen worden ist, errichtet. In der neuen Kirche befindet sich das aus der Kapelle übernommene Altarbild „Mariä Verkündigung“, ein zweiteiliges Gemälde (vielleicht als Flügel eines ehemaligen Tryptichons) aus der Zeit um 1500, von einem Kupferstich Martin Schongauers.
Es gab früher in Niederbieber nicht nur den heute noch existierenden, und seit dem 17. Jahrhundert belegten, jüdischen Friedhof mit einer Einsegnungshalle auf dem Weißen Berg, es gab auch noch eine kleine jüdische Synagoge, die am 8.11.1938 zerstört wurde. Eine Gedenkplakette in der Backhausgasse weist auf ihren früheren Standort hin.
Beim Schulzentrum „In der Lach“ befinden sich die Grundschule, die Regionale Schule und die Waldorfschule.
Die Grundschule besteht seit dem Jahr 1971. Kinder aus Niederbieber, Segendorf, Rodenbach, Altwied und Datzeroth besuchen dort die Klassen 1 bis 4.
Die Hauptschule wurde am 3. Sept. 1963 ihrer Bestimmung übergeben. Sie wurde ab Schuljahr 1998/99 in eine Regionalschule umgewandelt. Seit dem 12. November 2003 trägt sie den Namen „Carmen-Sylva-Schule“.
Seit 1991 hat die Waldorfschule eine Bleibe in Niederbieber. Mit ihrer recht hohen Schülerzahl nimmt sie einen beachtlichen Stellenwert im Schulwesen ein.
In der Lach liegt auch der Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde. Der Kindergarten der katholischen Kirchengemeinde befindet sich direkt neben der Kirche in der Kurt-Schumacher-Straße.
Vereinsleben und Traditionen
Niederbieber verfügt über zwanzig Vereine unterschiedlichster Prägung und Größe.
Der Burschenverein richtet die jährliche Kirmes aus, die am 1. Wochenende im Juli gefeiert wird.
Leider zeigt sich auch hier, dass die Traditionen in Vergessenheit geraten, denn der Verein hat, wie so viele, Nachwuchssorgen.
Zur Tradition geworden ist allerdings zwischenzeitlich der Weihnachtsmarkt auf der Wiedinsel, den der Verein Niederbieberer Bürger – VNB – organisiert. Er ist weit über die Grenzen von Niederbieber hinaus bekannt und beliebt, denn die malerische Zeltstadt auf der Wiedinsel bietet viel für das Auge und das Gemüt.
Die Tradition bewahren will der im Jahr 2002 ins Leben gerufene Mundart-Stammtisch. Er setzt sich für den Erhalt des örtlichen Dialektes ein. Die „Plattschwätzer“ sammeln und bestimmen Mundartbegriffe und hinterfragen deren Bedeutung und Herkunft.
Das Leben ist lebenswert in Niederbieber. Trotz seiner Zugehörigkeit zur Stadt Neuwied hat der Stadtteil sich seine dörfliche Eigenart bewahren können.
Niederbieber in Zahlen
Stand 30.06. 2021
Einwohner | 4572 |
Straßen | 63 |
Gebäude | 1408 |
Schulen | 1 Grundschule, 1 Realsch. Plus, 1 Waldorfschule |
Kirchen | 1 evangelische und 1 katholische Kirche |
Kindergärten | 1 evang., 1 kath. 1 kommunaler und 1 Waldorf Kindergarten |
Ortsvereine | 23 |
Restaurants, Gast- und Imbissstätten | 10 |
Sportstadion | 1 |
Anglerpark | 1 |
Tenniscenter | 1 |